Vergessene Kapitel des Zweiten Weltkriegs
Karl Rössel eröffnete Ausstellung in Marler Stadtbücherei
Zur Erinnerung an den Beginn des Zweiten Weltkriegs vor 75 Jahren präsentiert das Marler Weltzentrum die Ausstellung „Die Dritte Welt im Zweiten Weltkrieg“ in der Marler Stadtbibliothek (insel-Marler Stern). In seiner Rede zur Eröffnung berichtete der Initiator der Ausstellung, Karl Rössel von Recherche International aus Köln, über Hintergründe und erstaunliche Fakten. „So umfassend wie er hat noch niemand unseren Blick auf diesen Krieg erweitert“, staunte Klaus-Dieter Hein vom Weltzentrum.
In unserem Bewusstsein beginnt der Krieg am 1. September 1939. Mit dem Luftangriff der Japaner auf den US-Stützpunkt Pearl Harbor, so schreiben die Geschichtsbücher, habe er sich zum Weltkrieg ausgeweitet. Karl Rössel: „Mit dem Überfall Italiens auf Äthiopien im Oktober 1935 waren bis 1941 aber bereits Soldaten aus 17 Ländern und drei Kontinenten im Einsatz.“
Die Krieg führenden Mächte hatten ihre Kolonien in Afrika, Asien und Ozeanien mit einbezogen. Aber deren Opfer kommen in unserer Geschichtsschreibung nicht vor. Eine Aufgabe dieser Ausstellung ist, die Ignoranz gegenüber der Geschichte der kolonisierten Kontinente zu durchbrechen. Tatsächlich zogen mehr Soldaten aus der Dritten Welt in den Krieg als aus Europa (ohne Sowjetunion). Von 11 Millionen britischen Soldaten stammten 5 Millionen aus Kolonien. Die Inder stellten mit 2,5 Millionen die größte Kolonialarmee aller Zeiten. Die bei uns ausgeblendeten Opferzahlen sind extrem hoch: Allein China hatte mit 20 Millionen Menschen mehr als Deutschland, Japan und Italien zusammen. Manila beklagte mit 100 000 Toten mehr Opfer als Berlin, Hamburg oder Dresden.
In den betroffenen Ländern sind die bei uns vergessenen Folgen des Zweiten Weltkriegs jedoch sehr präsent. Der Wunsch: „Macht unsere Erfahrungen endlich auch in den Ländern bekannt, die den Krieg verschuldet und geführt haben!“ Mit der Präsentation dieser Ausstellung möchte das Marler Weltzentrum diesem Wunsch entsprechen. Viele unbekannte Aspekte zu Afrika, Asien, Ozeanien, Südamerika, zur Karibik, zur Judenverfolgung und Kollaboration werden angesprochen. Auch der kritische Begriff „Dritte Welt“ wird beleuchtet.
„Allerdings muss niemand alle Ausstellungstafeln lesen, damit das Ziel dieser Ausstellung erreicht wird,“ so Karl Rössel. „Jede Tafel präsentiert eine in sich geschlossene Geschichte. Auch wer nur wenige liest, wird rasch die Dimension dessen erkennen, was bislang verschwiegen wurde.“
Die Ausstellung ist noch bis zum 7. Juli in der Stadtbibliothek zu sehen.
(Öffnungszeiten: Di 12-18 Uhr, Mi u. Do 10-16 Uh, Fr 12-18 Uhr, Sa 10-13 Uhr )
Der Vortrag von Karl Rössel kann hier nachgelesen werden